Kleines Wörterbuch

Hier erläutern wir die Sprachwelt des geistlichen Lebens. Die Begriffssammlung wächst, Anregungen sind willkommen.

Inhalt

Exerzitien

Tage der Einkehr mit mindestens drei Übernachtungen in einem geschützten Rahmen. Eine geistliche Intensivzeit, die helfen soll, sich selbst und das eigene Leben in der Beziehung zu Gott tiefer wahrzunehmen und weiter zu entwickeln. Das Wort stammt vom lateinischen exercere = üben (vgl. engl. exercise). Wer „übt“, muss nicht schon alles „können“. Schweigen, Begleitgespräche, Impulse aus Bibel oder anderen Quellen, Körperwahrnehmungen, Meditation etc. unterstützen den ganzheitlich ausgerichteten, persönlichen Prozess. (glw)

Exerzitien im Alltag

Ein Übungsweg zuhause über 4-6 Wochen. Er will helfen, aufmerksam zu werden für die Gegenwart Gottes im eigenen Leben und in allen Dingen des Alltags. Teilnehmende erhalten Anregungen für das tägliche Gebet sowie für einen Tagesrückblick. Einmal pro Woche trifft man sich in einer Gruppe. Dann gibt es Übungen zur inneren Ruhe, Gespräch und Austausch, gemeinsame Zeiten der Stille sowie Impulse zum Weg durch die folgende Woche. (mk)

Geistliches Leben

Das tägliche Bemühen, im Alltag die Beziehung zum Göttlichen zu pflegen. Bei aller Innerlichkeit braucht das geistliche Leben Haltepunkte und Ausdrucksformen im Äußerlichen, z. B. feste Zeiten und bestimmte Orte. Rituale und Routinen wie Meditation, Gebet und das Lesen in der Bibel helfen, dem geistlichen Leben im Unberechenbaren des Alltags eine Beständigkeit zu sichern. Die regelmäßig geübte Aufmerksamkeit für die Gegenwart Gottes wiederum hilft, Lebendigkeit und Entwicklung im Leben mit Gott wahrzunehmen und daraus Kraft und Perspektive zu gewinnen. (sv)

Ignatius von Loyola

Ínigo López de Loyola (1491-1556, dt.: Ignatius) wuchs im spanischen Baskenland auf und war quasi ein Zeitgenosse Martin Luthers. In einer existentiellen Lebenskrise fand er mit Anfang dreißig ein neues Weltbild und seine Mission. Zusammen mit Weggefährten gründete er in Folge den Jesuitenorden, dem er als Ausbildungselement eine dreißigtägige Meditationszeit in Stille mitgab, die sogenannten >Exerzitien. Am Ende seines Lebens diktierte Ignatius auf Wunsch seiner Mitbrüder für die Nachwelt seine Geschichte und seinen spirituellen Weg. Der „Bericht des Pilgers“ ist bis heute als sein geistliches Vermächtnis erhältlich. (pw)

Kontemplation

Das Wort kommt vom lateinische Verb „contemplari“ und bedeutet „betrachten, schauen“. Es geht in der Kontemplation darum, zu Verweilen und aufmerksam wahrzunehmen, was gerade geschieht – und darin das Wirken Gottes in uns und unserem Leben zu erkennen. „Die Aufmerksamkeit besteht darin, das Denken auszusetzen, den Geist verfügbar, leer und (…) offen zu halten“ (Hannah Arendt). Kontemplatives Beten ist Gebet in Stille, Sein in Gottes Gegenwart, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, Sehnsucht nach Geborgenheit, Weg zur inneren Mitte und Quelle, Spüren von Atem und Leben, in allem zweckfrei und unverfügbar. (pw)

Religiosität

Die Übernahme von Glaubensüberzeugungen sowie die aktive Teilnahme an Leben und Ritualen einer organisierten Religionsgemeinschaft mit einem spezifischen Normen- und Traditionssystem. Davon zu unterscheiden ist der Begriff >Spiritualität, der seit den 1960er Jahren für die Sehnsucht nach einem Nicht-entfremdeten-Leben gebräuchlich ist. Vorgänger-Begriffe im christlichen Kontext waren bis dahin Frömmigkeit, Gottesfurcht, Askese und Mystik. (pw)

Retreat

Das englische Wort für „Rückzug“ bezeichnet meist mehrtägige spirituelle Auszeiten. Im deutschen wird dafür häufig das Wort „Einkehrtage“ verwendet. Beide Bedeutungen hängen zusammen: Der Rückzug aus Alltag und Gewohnheit ist die Voraussetzung, um bei sich selbst einkehren zu können. Retreat wird in verschiedenen Kontexten verwendet, für Yoga-Retreats ebenso wie für Zen-Meditationskurse oder christliche Exerzitien. (sv)

Straßenexerzitien

Wer sich darauf einlässt ist schlicht und einfach auf der Straße unterwegs und folgt den Bewegungen der eigenen Sehnsucht. Offen für ungewohnte Lebenswelten und fremde Menschen übt man, sich selbst, anderen und darin Gott zu begegnen: durch hinschauen, hinhören, riechen, tasten, schmecken, sich zu Herzen gehen lassen, anstecken lassen. Wesentlich ist der Austausch am Abend in kleiner Gruppe, bei dem Erfahrungen erzählt und angehört werden. Ende der 1990er Jahre wurde diese Form vom Jesuiten und Arbeiterpriester Christian Herwartz (1943-2022) in Berlin-Kreuzberg entwickelt. Entstanden ist seitdem eine Frömmigkeitsbewegung von unten, die konfessionelle, soziale und bildungsmäßige Unterschiede überbrückt. (pw)

Nichts wollen, nichts wissen, nichts haben.                                        

Meister Eckhart

Spiritualität

Der Begriff wurde seit den 1960er-Jahren modern. Ganz allgemein ist er ein Platzhalter für Sinnsuche und Sinnstiftung. Konkret bezeichnet Spiritualität einen subjektiv erlebten Sinnhorizont, der dabei sowohl innerhalb als auch außerhalb traditioneller >Religiosität verortet sein kann. So gesehen ist Spiritualität allen Menschen zu Eigen, nicht nur religiösen. Christliche Spiritualität gründet sich in der Behauptung einer Offenbarung. Sie orientiert sich an „Gottes Spiritualität für uns“ (Magnus Striet), die Jesus von Nazareth mit seinem Angebot der Freundschaft der Welt nahegebracht hat. Die Antwort des Menschen ist Nachfolge, die sich in engagierten und verantwortungsbewussten Beziehungen zur Welt, zum Mitmenschen und zu sich selbst ausdrückt. (pw)

Weisheit

Weisheit ist vieles – mehr als Klugheit, oft den Alten zugeschrieben, in der Bibel Gottes Begleiterin bei der Schöpfung. Weise bedeutet wissend, und gleichzeitig ist Weisheit mehr als bloßes Wissen. Sie meint auch ein Kundig-Sein im Leben, beruht auf Erfahrung, bedarf sowohl der Einsicht als auch der Übersicht. Indem sie Zeit und Raum für ein ruhiges Betrachten des Lebens bieten, helfen geistliche Übungen, Weisheit zu gewinnen, schöpferische Gelassenheit für das eigene Leben und darüber hinaus. (sv)

Wüstentag

Diese Übung und Form kommt aus der geistlichen Tradition des 2022 heiliggesprochenen Charles de Foucauld (1858–1916). Charles de Foucauld hat viele Jahre in der Wüste gelebt und sie als geistlichen Ort erlebt: „Diese Stille, diese Sammlung, dieses von sich Fortscheuchen all dessen, was nicht Gott ist, ist nötig für unser Herz, damit Gott sein Reich darin aufrichten und die innige Verbindung mit sich schaffen kann.“ In diesem Sinn ist ein Wüstentag eine Zeit des Schweigens, des Fortscheuchens und des Gebets, eine Zeit, das Herz für Gott zu öffnen. (sv)